Fünf Jahre nach dem Ende seiner Amtszeit als Präsident der Tschechischen Republik, wendet sich Vaclav Havel wieder dem Theater zu. Er schreibt ein Stück, das mehr denn je sein Thema und seine Kraft aus der Mitte der Gesellschaft schöpft. Havel verarbeitet darin seine Erfahrungen als Staatsoberhaupt, ein Amt das er 13 Jahre inne hatte. Er denkt über die Übel unserer Zeit nach, entlarvt wie vermessen die politische Klasse sich gibt. Havel will das Bewusstsein für den Sinn von Werten in unsere chaotische Welt schärfen, prangert die Gier und das Streben nach Macht an. Der Dramatiker findet sich nicht damit ab in einer Zeit zu leben, in der der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit als naive Haltung verspottet wird.
Die Prager Uraufführung seines Theaterstücks „Abgang“ bietet der Autorin Jarmila Buzkova die Gelegenheit, zusammen mit Vaclav Havel auf dessen Leben zurückzublicken, ein Leben das zugleich einem Traum und einem Alptraum ähnelt.
Gerade aus dem Gefängnis entlassen, wird der Dissident Havel 1989 zum Helden und Integrationsfigur der Prager „samtenen Revolution“. Das Volk wählt ihn zum ersten Präsidenten der postkommunistischen Tschechoslowakei.
Doch das Wechselspiel von Traum und Alptraum beginnt im Leben Havels bereits 50 Jahre zuvor. Die heile Welt einer behüteten Kindheit endet im Zweiten Weltkrieg. Die wohlhabende Familie Havel verliert durch den Krieg einen Großteil ihres Reichtums. Der kommunistische Putsch einige Jahre später zerstört die Familienidylle ganz. Vaclav Havel findet Zuflucht und Hoffnung in seine Liebe zum Theater. Auf der Bühne seziert er die kommunistische Gesellschaft und zeigt die Absurdität des totalitären Systems, was bald zu Aufführungsverboten und Verfolgung führt.
Die 20 Jahre im Widerstand sind geprägt von Schikanen und zahlreichen Gefängnisaufenthalten. Doch der eigenwillige Havel lässt sich nicht verbiegen und übersteht die kommunistische Verfolgung erhobenen Hauptes, immer geleitet von seinem einzigen Credo: „Leben in der Wahrheit.“ Vaclav Havel wurde sechzehn Mal für den Friedensnobelpreis nominiert. Der ehemalige Dissident hat als Staatspräsident seine opponierende Haltung aufgegeben und in konstruktive politische Arbeit verwandelt. Wie haben ihn seine Gefängnisaufenthalte geprägt? Hat seine Liebe zur Wahrheit die Ausübung der Macht unbeschädigt überdauert? Für welche Anliegen setzt er heute seine moralische Autorität ein?