Tierisch Mensch! Giuseppe und die heiligen Kühe der Emilia Romagna

28. Januar 2008, 17.30 Uhr, ARTE

Eine Dokumentation von Constanze Reuscher

Giuseppe Nahal ist Stallknecht in einem Kuhstall in der Emilia Romagna. Diese Arbeit machte er schon in seiner Heimat, in der indischen Region Punjab. Aber in der norditalienischen Po-Ebene wird er jetzt dringender gebraucht: Hier wird die Milch für den weltberühmten Parmesankäse erzeugt.
Giuseppe arbeitet gemeinsam mit seinem Neffen Pal in einem Stall mit 30 Kühen im Dorf Luzzara, gleich hinter dem Deich des Po. Die Kühe sollen glücklich sein, denn raus auf die Weide können sie nicht: dafür ist das Land am grossen Fluss zu sumpfig. Die Einwohner wurden mit Parmesankäse reich. Nur die harte Stallarbeit will kaum noch einer machen.
Der Kuhstall gehört zur die Käserei der Brüder Manfredini, seit 160 Jahren im Familienbesitz. Die Produktion des Parmesan ist noch heute ein hochkompliziertes Handwerk, das nur beherrscht, wer jahrzehntelange Erfahrung hat: So wie Seniorchef Vittorio Manfredini, der seit 50 Jahren jeden Tag an den Kupferkesseln voll dampfender Milch steht. Sein Bruder Vincenzo ist Firmenchef und für die Viehzucht verantwortlich, Tochter Valeria ist Betriebstierärztin.
Damit der jahrelange Reifeprozess gelingen kann, darf nur reinste Milch in die Käseproduktion. Das macht die Arbeit von Stallknecht Giuseppe so wertvoll: Die Milchkühe dürfen nicht erkranken – Medikamente in der Milch sind tabu. Sie dürfen nur mit bestem Heu und Getreide von heimischen Wiesen gefüttert werden, das Giuseppe selbst ernten und einfahren muss. Jede Kuh muss einzeln betreut werden, jedes Kälbchen zur Welt gebracht werden. Wer könnte das besser als Giuseppe, für den die harte Arbeit eine Ehre, kein Opfer ist: Er ist ein Anhänger der Sikh-Religion, die die Kuh als Mutterfigur verehrt. Für Giuseppe haben Milchkühe eine Seele – für Käsereichef Manfredini ist er der perfekte Mitarbeite
Giuseppe und seine Familie sind daher in ihrer neuen Heimat nicht allein. In der Region leben viele tausend Sikh-Inder, allein im kleinen Luzzara sind es 900, die Gemeinde mit dem grössten Ausländeranteil Italiens. Aber Spannungen gibt es nicht, denn in der „roten“ Emilia Romagna sind die Einwohner von jeher stolz auf soziale Errungenschaften. So enstand im Nachbarort Novellara einer der grössten Sikh-Tempel Europas.