Precht: Deutschland - Ein geteiltes Land?

interscience film im Auftrag des ZDF
24. November 2019, 23.50 Uhr, ZDF

Richard David Precht im Gespräch mit Ingo Schulze.

Lebensgefühl und Weltsicht scheinen sich immer noch zu unterscheiden. Woran liegt das? Richard David Precht erkundet zusammen mit dem in Dresden geborenen Schriftsteller Ingo Schulze die deutsche Seelenlage.

Noch immer unterscheidet man "Wessis" von "Ossis", und aktuelle Umfragen bestätigen: Nur 43 Prozent der Westdeutschen und 35 Prozent der Ostdeutschen finden, dass Deutschland seit der Wiedervereinigung zu einer Nation zusammengewachsen ist. Auch drei Jahrzehnte später sind die Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern höher, die Einkommen niedriger als im Westen.

Die sogenannte Wende habe er als Beitritt empfunden und nicht als Begegnung ebenbürtiger Partner, sagt Ingo Schulze, der wie kaum ein anderer Schriftsteller die Wendezeit zum Thema seiner Romane gemacht hat. Die Selbstbefreiung des Ostens sei als Sieg des Westens gefeiert worden. Das habe das Selbstverständnis der Ostdeutschen nachhaltig beeinträchtigt. Schulze beklagt zudem die zunehmende Ökonomisierung in allen Lebensbereichen. Doch gerade die öffentliche Hand könne einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt einer Gesellschaft leisten. Statt einer marktkonformen Demokratie, wie es Angela Merkel einst formulierte, fordert Schulze demokratiekonforme Märkte.

Hätte die Wiedervereinigung denn anders verlaufen können? Vor allem im Osten haben wir es heute, so Precht, mit einer Misstrauenskultur gegenüber der Politik und Gesellschaft zu tun, die immer stärker anwächst. Welche Fehler sind damals gemacht worden? Wie erklärt sich Schulze den wachsenden Rechtspopulismus im Osten? Welche Veränderungsprozesse wurden in den alten Bundesländern versäumt? Und warum fällt es vielen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern 30 Jahre nach dem Rausch der friedlichen Revolution von 1989 so schwer, eine positive gesamtdeutsche Zukunftsvision zu entwickeln?