Gero von Boehm begegnet… Claudio Magris

05.10.2009, 22.25, 3sat

Am 18. Oktober 2009 erhält der Literaturwissenschaftler, Essayist und Romancier Claudio Magris den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, „weil er sich wie kaum ein anderer mit dem Problem des Zusammenlebens und Zusammenwirkens verschiedener Kulturen beschäftigt hat“. Diese Art von Brückenbau zieht sich wie ein roter Faden durch Leben und Werk dieses bedeutenden Germanisten und Kulturpublizisten Italiens. Bekannt wurde er mit seiner 1963 publizierten Dissertation „Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur“. Berühmt wurde er durch sein Reisebuch „Donau – Biografie eines Flusses“. Ein fast 500 Seiten starkes Werk über Geist und Literatur Mitteleuropas, das in viele Sprachen übersetzt ist.
Claudio Magris wurde 1939 in Triest geboren und entstammt einer alten Familie aus dem Friaul. Nach dem Abitur 1957 studierte er Germanistik in Turin und in Freiburg im Breisgau, promovierte 1962 zum Dr. phil. und habilitierte sich vier Jahre später für Deutsche Literatur. Seit 1978 bis zu seiner Emeritierung 2006 war er Professor für Moderne deutschsprachige Literatur an der Universität Triest. Politische Erfahrungen sammelte er Mitte der 1990er für zwei Jahre als unabhängiger Vertreter der Linksbündnisse im römischen Senat für die Region Triest. Er empfand sich allerdings nur „als provisorisch an die Politik ausgeliehener Schriftsteller“. Gemeinsam mit Umberto Eco und anderen Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur gründete er 2002 die Vereinigung „Livertà e Giustizia“ (Freiheit und Gerechtigkeit), um eine kritische Position zur Politik und Regierung unter Silvio Berlusconi zu beziehen. Sein letztes Buch unter dem Titel „Ein Nilpferd in Lund“, 2009 in deutsch erschienen, enthält Reisebilder, die er in zwanzig Jahren auf seinen zahlreichen ausgedehnten Reisen durch ganz Europa gesammelt hat. In seiner Dankesrede für den Leipziger Preis der Europäischen Verständigung 2001 sagte Claudio Magris: „Ich habe gelernt, dass die beste Art, sich mit den anderen zu verstehen die ist, sich auf die andere Seite der Grenze zu stellen.“ Den Traum von einer echten universellen Kultur hat der realistische Träumer nie aufgegeben aber er weiß auch, „dass jede Utopie mit Skepsis und Ironie verbunden sein muss, um reifer und mutiger zu werden“.
Gero von Boehm trifft sich mit dem Kulturenvermittler in dessen Geburts- und Lebensstadt Triest.