Die neue Weltmacht, die binnen zwanzig Jahren sogar die USA in den Schatten stellen könnte, ist zweifellos die Volksrepublik China. Hier gehen die Betrachtungen in der zweiten Dokumentation auf die revolutionäre Phase des Maoismus und die große proletarische Kulturrevolution zurück, die Peter Scholl-Latour noch persönlich dokumentieren konnte. Zentrales Thema dieses Gesprächs und dieser Betrachtung ist natürlich der Abfall der chinesischen Massen von der marxistischen Staatsdoktrin. Es soll auch untersucht werden, in wie weit der Konfuzianismus, der von der kommunistischen Partei Chinas offiziell und recht paradox gefördert wird, ein Regierungsmodell bieten kann, das den modernen Anforderungen gewachsen ist. Den westlichen Vorstellungen von Demokratie und Parteienvielfalt, die sich selbst als Streitkultur bezeichnet, stellen die neuen chinesischen Ideologen das utopische Modell der Harmonie entgegen, das der traditionellen Idee vom Einklang zwischen Himmel und Erde entspricht. Bemerkenswert ist dabei, dass nicht nur in China, sondern auch in einer Vielzahl ostasiatischer, morgen vielleicht auch afrikanischer Staaten, die westlichen Ideale von Menschenrechten und individueller Freiheit durch neue Lösungsansätze ersetzt werden könnten, die den Strukturen der real existierenden dortigen Gesellschaften vielleicht eher entsprechen. China hat sich nicht nur auf einen materiellen Wettbewerb mit der westlichen Welt eingelassen, sondern sucht auch nach einer ideologischen Synthese, die die oft selektive und sogar heuchlerische Anwendung des „Stimmzettel-Fetischismus“ ersetzen könnte. Im Übrigen stellt sich als Irrtum heraus, dass die im Westen viel gepriesene Globalisierung allein den Amerikanern und den Europäern zugute käme. Der wirkliche Nutznießer könnte am Ende die unter viel günstigeren Bedingungen produzierende und durchaus auch auf technische Innovation bedachte Volksrepublik China sein.
Eine besondere Betrachtung verdient das Verhältnis zwischen China und der russischen Föderation. Die beiden gewaltigen Nachbarstaaten waren ursprünglich auf Konfrontation ausgerichtet. Inzwischen hat man in Moskau und in Peking begriffen, dass das weltweite Ausgreifen der NATO und ein unerbittlicher Kampf um die Rohstoffe in Zentralasien, im Kaukasus und auch in Afrika, Chinesen und Russen in eine Partnerschaft drängen, die sowohl gegen die bisherige Übermacht Amerikas gerichtet ist, wie auch gegen die revolutionären Bewegungen im islamischen Raum, die Russland und am Rande auch China vor ernste Probleme stellen. Es ist bezeichnend, dass sowohl im Westpazifik, als auch im Süden des Ural gemeinsame russisch-chinesische Militärmanöver stattgefunden haben.
Neben diesen tektonischen Machtverschiebungen erscheint Europa tatsächlich als ein „Kap Asiens“, wie es von den französischen Schriftsteller Paul Valéry beschrieben wurde.
Am Ende wendet sich das Gespräch und der filmische Rückblick der beiden Autoren der Schwächung der ursprünglichen verheißungsvollen Einigung Europas zu. Nicht nur die überstürzte Ausweitung auf 27 Staaten könnte dem alten Kontinent zum Verhängnis werden, sondern auch der Verlust des gemeinsamen Feindbildes, das sich bis zur Auflösung der Sowjetunion im Zeichen des Kalten Krieges offenbarte. Die militärische Verzettelung und die diplomatische Lähmung Europas richten den Blick auf jene verheißungsvolle Epoche, als im Zeichen einer karolinischen Tradition die Zusammenführung des Kontinents noch in den Händen von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, von Helmut Schmidt und Giscard d`Estaing sowie von Helmut Kohl und Francois Mitterand lagen.
Die Verlagerung der Weltpolitik vom atlantischen zum pazifischen Raum, der Verzicht des Abendlandes auf eine eigene machtpolitische Rolle, führen zu nostalgischen Rückblicken, sollen aber auch zu eigenen europäischen Initiativen ermutigen.