Wie natürlich ist unsere Natur?

interscience film im Auftrag des ZDF
19. März 2017, 00.05 Uhr, ZDF

Richard David Precht im Gespräch mit Andrea Wulf.

Wie widersprüchlich die Menschheit mit der Natur umgeht, was überhaupt heute Natur ist, darüber spricht Richard David Precht mit der Kulturhistorikerin und Bestsellerautorin Andrea Wulf.

Für die meisten Menschen der westlichen Zivilisation ist "Natur" ein positives Wort. Und doch leidet die Natur vor allem unter der Profitgier des reichen Westens, so Richard David Precht. In den USA will die Trump-Administration alle ökologischen Hemmnisse der nationalen Wirtschaft wieder rückgängig machen, der Klimawandel wird einfach verleugnet.

All die Widersprüche im menschlichen Umgang mit der Natur waren bereits Alexander von Humboldt, dem großen Naturforscher des 19. Jahrhunderts, bewusst. Über ihn hat die Kulturhistorikerin und Garten-Expertin Andrea Wulf jetzt einen vielfach ausgezeichneten Bestseller geschrieben: "Alexander von Humboldt oder die Erfindung der Natur". Mit ihr spricht Richard David Precht über die wilden Seiten der Welt und das, was der Mensch daraus macht.

Unser Naturverständnis hat sich im Lauf der Zeit immer wieder gewandelt. Galt in der Antike noch eine selbstverständliche Einheit zwischen Natur und Mensch, so macht das Christentum aus der Natur die göttliche Schöpfung, die der Mensch fortan nach seinen Vorstellungen gestalten soll. Das mystische Bild von Natur wird seitdem immer weiter verdrängt. Die Industrialisierung treibt die Vorstellung der Nutzbarkeit auf die Spitze und evoziert in der Folge zwangsläufig die Entstehung des Naturschutz-Gedankens.

Umweltverschmutzung, Ressourcen-Ausbeutung, Artensterben und Klimawandel prägen heute unser Bild von einer bedrohten Natur, die vor allem deshalb beschäftigt, weil sie dadurch zwangsläufig die Existenz des Menschen gefährdet. Der Einklang mit der Natur - in der Antike eine nicht hinterfragte Selbstverständlichkeit - ist heute der letzte mystische Funke, den wir aus der Natur noch zu schlagen versuchen.

Mehr denn je scheinen wir uns dabei aber in der Natur hauptsächlich selbst zu reflektieren. Natürliche Ernährung, Eventsportarten vor nunmehr gänzlich zugänglichen Naturkulissen, Tierschutz als Ausdruck menschlicher Empfindsamkeit - all das dient dazu, die gezähmte Natur zu instrumentalisieren, sie zur Befriedigung unserer Befindlichkeiten einzusetzen.

Unser Naturverständnis scheint immer noch mehr über uns auszusagen als über die Natur selbst. Vielfach wird heute über die Ausrufung eines neuen Zeitalters diskutiert, das Anthropozän. Ein von Menschen beeinflusstes Zeitalter: Ist es am Ende eine Bedrohung oder eine Verheißung für diesen Planeten?