Was ist gerecht?

interscience film im Auftrag des ZDF
28. Oktober 2012, 00.15 Uhr, ZDF


Richard David Precht im Gespräch mit Christian Lindner, FDP.

Wer definiert, was in einer Gesellschaft gerecht ist und was ungerecht? Dieser Frage geht Richard David Precht in der dritten Ausgabe seiner Sendung nach. Er diskutiert mit Christian Lindner, Chef der nordrheinwestfälischen FDP und studierter Philosoph. In der Gesellschaft der Bundesrepublik ging in den letzten fünfzehn Jahren die Schere zwischen Arm und Reich immer stärker auseinander. Dringender denn je stellt sich heute wieder einmal die alte neue Frage nach der Gerechtigkeit. Hat der Kapitalismus unter der Dominanz der Finanzwirtschaft sein Maß für die Gerechtigkeit verloren, fragt Precht.

Zehn Prozent der reichsten Deutschen besitzen 58 Prozent des Vermögens im Lande. Grund genug zu fragen, ob es immer nur die Starken sein müssen, die darüber entscheiden, was und wie viel sie den Schwachen einräumen? Der Politiker und Intellektuelle Christian Lindner misst der Frage nach der Gerechtigkeit hohe Bedeutung bei. Doch während er einerseits die Fairness, die Verantwortung für die Schwachen, für eine der wichtigsten Tugenden hält, lehnt er andererseits jede Gleichmacherei ab. Wie also stellt er sich Gerechtigkeit vor? Was vermag er konkret als verantwortlicher Politiker beizutragen, um Chancengerechtigkeit herzustellen?

Leben wir heute nicht schon längst in einer Gesellschaft, so Precht, die weniger durch die Lust an der Leistung angetrieben wird als durch die Gier nach Erfolg? Imponiert uns die engagierte Krankenschwester mit ihren Überstunden wirklich mehr als der Börsenspekulant, der binnen Sekunden gigantische Renditen und Boni einfährt? Haben die vielberufenen freien Kräfte des Marktes, an die der Liberalismus noch immer so unbeirrbar glaubt, nicht schon längst in Bereichen Fuß gefasst, wo sie nicht hingehören? Wo ganz andere gesellschaftliche Normen wie Mitgefühl, Toleranz oder Rücksicht auf weniger Privilegierte unser Handeln bestimmen sollten? Es scheint fast so, als könne man sich heute nicht mehr darauf verlassen, dass sich die Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft immer wieder automatisch in ein idealistisches Gleichgewicht auspendelt. Eine ernsthafte Diskussion über die Bedingungen einer gerechteren Gesellschaft wird somit immer zwingender, meint Richard David Precht.