Precht: Der Kalte Frieden - Russland und der Westen

interscience film im Auftrag des ZDF
30. Juni 2019, 23.40 Uhr, ZDF

Richard David Precht im Gespräch mit Horst Teltschik. 

Mehr denn je sieht der Westen in Putins Russland eine Gefahr für seine Sicherheit. Er reagiert mit Misstrauen und Sanktionen auf Putins expansive Politik.
Horst Teltschik, der ehemalige Sicherheitsberater Helmut Kohls, warnt jedoch davor, Russland zu
isolieren. Richard David Precht fragt ihn: Droht ein neuer Kalter Krieg?

Der Westen sieht Putin als destabilisierenden, undemokratischen Despoten und daher als eine
Gefahr für seine Sicherheit an. Er verweist auf den Krieg in der Ostukraine, die Krim-Besetzung,
die Unterstützung für Assad in Syrien, die vermutete Beseitigung von Kritikern und die
mutmaßliche Manipulation der Wahlen in den USA. Die Lage ist ernst: Spätestens seit der
Aufkündigung des INF-Vertrages über ein Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen droht der
Welt ein neues Wettrüsten.

Wie aber lässt sich das „Russische Roulette“ zwischen Russland und dem Westen verhindern,
fragt Richard David Precht seinen Gast Horst Teltschik, den ehemaligen außenpolitischen Berater
Helmut Kohls.

Vor allem könne man heute, so Precht, wohl kaum mehr von einer ideologischen Front sprechen.
Putin sei kein Kommunist mehr. Seine Politik des starken Mannes finde sogar vermehrt
Anerkennung bei rechtspopulistischen Gruppierungen. Eine viel größere, wirtschaftliche
Bedrohung stelle heute doch China dar. Eine Kriegsgefahr, attestiert Teltschik, gehe von Russland
nicht aus. Andererseits fühle sich Putin durch die Nato-Osterweiterung bedroht. Es fehle gerade
der gegenwärtigen Regierung Merkel an genügend Einsicht in die Notwendigkeit, Russland in das
Europa der Zukunft miteinzubinden. Dies wäre gerade angesichts der destruktiven Europa- und
Außenpolitik eines Donald Trump dringender erforderlich als je zuvor, so Teltschik.

Nichtsdestotrotz hat sich Putin durch den Ukrainekonflikt, die vermutete internationale
Cyberoffensive oder seinen Umgang mit Kritikern in den Augen des Westens moralisch ins
Abseits gestellt. Für Precht wirft dieser Konflikt daher auch die Frage auf, in wieweit sich Moral
und Politik gegenseitig durchdringen. Oder ist Moral letztlich nur eine Spielkarte der
Interessenspolitik? Wenn er etwas in seiner Zeit als außenpolitischer Berater gelernt habe, so
Horst Teltschik, dann die absolute Notwendigkeit, trotz aller Differenz der Werte und
Moralvorstellungen im konstruktiven Dialog zu bleiben.