Magier des Lichts – Der Architekt Richard Meier

22. Oktober 2004, 22.15 Uhr, ARTE

Eine Dokumentation von Gero von Boehm

Seine Gebäude sind berühmt für das harmonische Zusammenspiel der geometrischen Formen. Richard Meiers Kompositionen aus Quadern, Halbrunden, Wellenbögen , Dreiecken und Säulen stehen inzwischen überall auf der Welt. Das Markenzeichen des Architekten, der zu den bedeutendsten unserer Zeit zählt, ist die Farbe Weiß. Auf faszinierende Weise setzt er sie ein – als Tableau für das ewige Spiel des Lichts und der Schatten. „Mein liebstes und wichtigstes Baumaterial ist das Licht“, sagt Meier.

Seine Einfamilien-Häuser in den USA sind Legende, aber vor allem mit den öffentlichen Bauten kam der weltweite Ruhm: das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main (2004 wird es 20 Jahre alt) war sein erster Bau in Europa, das Museum für moderne Kunst in Barcelona folgte ebenso wie das Stadthaus am Ulmer Münster. Zur Zeit baut er in Baden-Baden ein Museum für die Sammlung Frieder Burda.Besonders spektakulär aber war für den Schüler Le Corbusiers und Marcel Breuers der Auftrag, das Getty Center zu bauen – jene gigantische Museumsstadt auf den Hügeln über Los Angeles. Das Spiel aus Licht und Bewegung , das Meier mit seinen Bauten erzeugen will, wird hier besonders deutlich.

Seine Anregungen bezieht der Architekt nicht nur aus der Moderne des Bauhauses, sondern ebenso aus dem süddeutschen Barock und Rokoko, das er auf ungezählten Reisen ausführlich studiert hat. Elemente, die an seine Lieblingskirchen, die „Wies“ und „Vierzehnheiligen“ erinnern, finden sich in vielen seiner Bauten wieder. Für Meier ist Architektur „gefrorene Musik“ und er lässt sich von Bach-Fugen und Telemann-Sonaten inspirieren. Bernini und Borromini sind für ihn ebenso Vorbilder wie Bramante, der in der Hochrenaissance bei der Umgestaltung des Vatikanpalastes mitwirkte und Bauleiter beim Neubau der Peterskirche war. Richard Meier tritt nun tatsächlich in die Fußstapfen Bramantes.

Papst Johannes Paul II. gab – zu seinem 25. Amtsjubiläum – eine neue Kathedrale für ein Armenviertel in Rom bei ihm in Auftrag gegeben: „Jubilee Cathedral“ nennt der Architekt selbst sein Werk, dessen spektakuläre Formen weltweit Aufsehen erregen. Pünktlich zu seinem 70. Geburtstag wurde die Kirche fertig. Die nach oben gebogenen Wände recken sich in die Luft und wirken wie Engelsflügel oder aufgebauschte Segel, das Dach ist aus Glas, damit Licht den ganzen Tag den weißen Innenraum in ein Spiel mit der Natur verwandeln kann. „Die Menschen sollen hier etwas von dem gewaltigen All spüren, das nicht ihrem Willen unterliegt“, sagt Meier. Er ist der erste jüdische Architekt, der eine christliche Kirche baut.

Seine Urgroßeltern waren einst aus Oberfranken in die USA eingewandert. Richard Meier ist auch bildender Künstler und ein ebenso unermüdlicher wie erfolgreicher Designer. Auf allen Reisen stellt er – zur späteren Erinnerung – Collagen her, immer im selben quadratischen Format. Stühle, Sessel, Tische, Regale, Ess-Service und Silbergegenstände hat er entworfen, viele sind in der Design-Sammlung des Museum of Modern Art in New York, seiner Heimatstadt. Sein größter Wunsch war es gewesen, neu zu gestalten. Sein Entwurf für „Ground Zero“, das Grundstück, auf dem die Türme des World Trade Center standen, schaffte es in die Endrunde. Meiers Anliegen ist es, das menschliche Maß in der Architektur wieder zu finden. Allzu ambitionierten Hochhaus-Bauten steht er deshalb kritisch gegenüber. Und zunehmend interessiert ihn das Thema „Humane Stadt“, immer häufiger mischt er sich in Planungen ein.

Der Film stellt den Architekten des Lichts, den viele für den legitimen architektonischen Erben des Bauhauses halten, hautnah vor. Wir sind nicht nur beim Entwerfen in seinem Atelier dabei, sondern auch, wenn Meier die vollendete Kathedrale in Rom ihrer Bestimmung übergibt. Wir besuchen das berühmte „Grotta-Haus“ in New Jersey und zusammen mit dem Architekten das „Saltzman-Haus“ in East Hampton (Long Island), wo auch Meiers Privathaus steht – ein Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert, das einen erstaunlichen Kontrast zu seiner eigenen Architektur bildet.