Biotop der Dichter – Santa Maddalena in der Toskana

19. Oktober 2008, 18.00 Uhr, 3sat

Eine Dokumentation von Gero von Boehm

Einst brachte der Autor Bruce Chatwin im Turm von Santa Maddalena seine Reisereportagen zu Papier. Michael Ondaatje schrieb dort ein Kapitel für „Der englische Patient“ und Bernardo Bertolucci an Drehbüchern – alle als Gäste des Schriftstellers Gregor von Rezzori, der immer den Dialog mit anderen Autoren pflegte.
Heute treffen sich zwischen den Olivenhainen und Bambuswäldern Schriftsteller und Regisseure, Sachbuch-Autoren und Botaniker.
Autoren wie Zadie Smith und Daniel Kehlmann, Michael Cunningham und Victor Jerovejew geben sich dort nicht nur die Klinke in die Hand, sondern bleiben – oft gemeinsam – einige Wochen an diesem magischen Ort, um zu arbeiten und mit Kollegen aus aller Welt in einem privaten Rahmen zu kommunizieren. So entstehen Kontakte und Inspirationen, die ansonsten nicht zustande kommen würden.
Als der Romanautor Gregor von Rezzori („Maghrebinische Geschichten“, „Ein Hermelin in Tschernopol“) 1998 starb, war mit seiner Frau Beatrice Monti della Corte längst besprochen, dass in Santa Maddalena die Tradition fortgeführt werden sollte : Eine Stiftung mit inzwischen internationalem Ruf entstand, 2007 wurde von ihr zum ersten Mal der Gregor-von-Rezzori-Preis für Schriftsteller vergeben. Autoren aus der ganzen Welt reissen sich um eine Einladung nach Santa Maddalena.
Der Film portraitiert dieses „Biotop der Dichter“ und seine temporären Bewohner. Wir sind dabei, wenn der irische Bestseller-Autor Colm Toibin dem Russen Victor Jerovejew die Gedichte von John Keats nahe bringt, von denen der Moskauer Autor noch nie etwas gehört hat. Wir erleben, wie ein brasilianischer Autor seine Arbeiten mit einer Bollywood-Drehbuchautorin diskutiert.
Isabella Rossellini, die in Santa Maddalena immer wieder den Kontakt mit Schriftstellern sucht, berichtet von ihren Erlebnissen dort. Der Regisseur Bernardo Bertolucci, der seine Drehbücher immer selbst schreibt, beschwört den genius loci – wie auch sein deutscher Kollege Volker Schlöndorff, der die Stiftung von Anfang an begleitet hat. Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) , der Empfänger des diesjährigen Rezzori-Preises, wird demnächst „author in residence“ in Santa Maddalena sein. Auch ihn treffen wir dort.

Der Film ist aber auch eine Hommage an Gregor von Rezzori, dessen Tod sich im April 2008 zum zehnten Mal jährt. Es gibt reichhaltiges Archivmaterial (z.B. „Zeugen des Jahrhunderts – Rezzori im Gespräch mit Gero von Boehm“) über den Autor. Er war, in Czernowitz in der Bukowina geboren, einer der Letzten die noch die große Multikultur dieses Landstrichs verkörperte. In der Toskana, wo schon in der Renaissance Künstler aus ganz Europa zu Gast waren, fand er seine zweite Heimat.